Produkt-Highlight

Kampf den Keimen: Biozide Kunststoffe haben Zukunft

Der Entwicklung von bioziden Partikeln und deren Anwendung in Alltagsgegenständen aus Kunststoff hat sich im Projekt die Gemeinnützige KIMW Forschungs-GmbH (KIMW-F) gemeinsam mit den Projektpartnern Granula Polymer GmbH und der Gigaset Communications GmbH gewidmet.

Neue Möglichkeiten für Sichtteile aus Kunststoff

Alltagsgegenstände, wie Telefongehäuse, Türklinken, Gehhilfen, Bodenbeläge, Geländer und weitere Produkte des täglichen Gebrauchs sind aus Kunststoff gefertigt. Wo aber viele Hände im Spiel sind, werden auch Keime übertragen, die in der Folge zu schwerwiegenden Erkrankungen beim Menschen führen können. 

An dem Projekt waren insgesamt sechs Projektpartner beteiligt. Ziel war es, dass Granula Polymer GmbH ein Compound mit bioziden Additiven für die Herstellung eines Telefongehäuses des renommierten Herstellers Gigaset Communications GmbH entwickelt. „Wichtig war an dieser Stelle, dass ein Gehäuse, was jeden Tag Berührung mit der Gesichtshaut hat, biokompatibel ist“, skizzierte Geschäftsführerin und promovierte Chemikerin Dr. Eva-Maria Langhammer die wesentlichen Herausforderungen vor dem Projektstart. Gleichzeitig sollte das neue Compound biozid gegen Keime wirken. Der Projektpartner der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz hat dazu Additive bereitgestellt, bei denen eine biozide Wirkung validiert ist. „Wir haben im Vorfeld die gesamte Bandbreite an biozid wirkenden Metallen und Metalloxiden durchgetestet. Entwickelt wurden Masterbatches, die teils stark biozid und teils biozid und gleichzeitig biokompatibel wirken.“ Am Ende der vielen Untersuchungen gab es ein Compound zur Herstellung schwarzer Kunststoffgehäuse, die aus Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer (ABS) mit bioziden Additiven gefertigt wurden, bei denen es zudem keine Farbunterschiede zum Serienmodell gab. „Mittlerweile können wir sogar Material zur Herstellung weißer Kunststoffteile anbieten“, wie Dr. Eva-Maria Langhammer ergänzt.

Biozide Wirkung gegen drei der häufigsten Bakterien untersucht

Hinsichtlich der bioziden Wirkung wurden drei verschiedene Bakterienstämme von der Uni-Klinik in Jena gemäß ISO 22196 untersucht, die am häufigsten vorkommenden Bakterien Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, und Escherichia coli. Je nach Anwendung können gezielt Compounds für eine starke bis leichte antibakterielle Wirkung produziert werden.

Zu der Frage der Haltbarkeit des bioziden Effekts liefert die Chemikerin Antworten: „Wir arbeiten mit Mischungen aus Metallen und Metalloxiden, die in dem Kunststoff eingearbeitet sind und dort verbleiben. Es handelt sich hierbei nicht um organische, leichtflüchtige Substanzen, die herausmigrieren können. Über den Produktlebenszyklus eines Kunststoffteils ist auch deren biozide Wirkung gegeben.“

Formteilgeometrien wurden von Gigaset bereitgestellt

Die Gigaset Communications GmbH ist ein deutscher Hersteller von Kommunikationslösungen und als Projektpartner oblag es ihr, die seriennahe Anwendung zu überprüfen. Als Produktvorlage diente das Mobilteil des Gigaset Erfolgsmodells E290. Auf der 400 Tonnen-Spritzgießeinheit wurde die Werkzeugform des Serienteils gerüstet. Im automatisierten Prozess wurden gleich mehrere hundert Mobilteil-Gehäuse mit dem bioziden ABS-Compound gespritzt. Der Beweis für die Verarbeitbarkeit des Granulates war erbracht. Im Vergleich der Spritzgießprozessparameter offenbarten sich in der direkten Gegenüberstellung keine signifikanten Unterschiede. Das Zeitfenster der Zykluszeit war identisch mit der aus dem Serienprozess gemessenen und protokollierten Dauer. „Durch Gigaset wurden auf der Basis der hergestellten Gehäuse anschließend Komplettgeräte auf den automatisierten Montagelinien aufgebaut“, wie Klaus Göring, Head of Tool Design bei der Firma Gigaset, erläutert. Diese Komplettgehäuse gingen dann ins Umweltlabor, um Belastungsprüfungen, klimatische Tests, Oberflächentests und Medienprüfungen durchzuführen. Belastungen wie Schock, Vibration und Freifallen wurden bestanden. Bei den klimatischen Erfordernissen, hier wurden praxisrelevante Bedingungen wie Lagerung, Transport und Temperaturwechsel simuliert, gab es ebenfalls keinerlei Beanstandungen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Reaktionen auf bestimmte Medien, denn so ein Gehäuse kommt zwangsläufig mit Hautschweiß, Reinigungsmitteln oder Hautcremes in Berührung. „Auch bei diesen sensiblen Prüfungen wies das Produkt die notwendigen Eigenschaften auf“, wie Klaus Göring bestätigt. Das bekräftigte auch die vom KIMW-F gemeinsam mit der Hautklinik in Jena durchgeführte abschließende Bewertung.

Aus der Perspektive von Gigaset kommt eine industrielle Verwertung des mit Additiven versetzten ABS der Fa. Granula Polymer GmbH in Frage und ist bereits konkret in der Vorentwicklung eines Produktes. Klaus Göring: „Wir sehen hier einen hohen Nutzen und einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. Diese Compounds könnten für eine Sonderedition von Schnurlostelefonen mit biozid wirkender Gehäuseoberfläche verwendet werden. Bei der angedachten Umsetzung in Serie dürften die ersten Schnurlostelefone von Gigaset mit biozider Wirkung in Krankenhäusern oder Arztpraxen zum Einsatz gelangen.“

Unter dem geschützten Namen GranaBac® wird Granula künftig kundenspezifische Masterbatches mit biozider und wahlweise biokompatibler Wirkung anbieten. Hierbei kann der thermoplastische Basiskunststoff gezielt auf den Kunden und seine Anforderungen angepasst werden. Eine Übertragung der bioziden und biokompatiblen Wirkung von ABS auf gängige Thermoplaste wie Polyolefine oder Polyamide ist bereits erfolgreich getestet.